Kastration, Kasteiung und Zensur

Kettensägen sind ja eigentlich sehr nützliche Werkzeuge. Aber in manchen Funktionen sind sie auch nachts um 1 im deutschen TV tabu. Wenn der Kubaner Tony Montana damit bedroht wird beispielsweise.

Nach dem Nachtmagazin in  der ARD war ich gerade angenehm überrascht, dass es gleich im Anschluss zu Ehren von Al Pacinos 70. Geburtstag den Film Scarface gab. Gut, okay, es hat was von Selbstkasteiung, sich sowas in der deutschen Fassung anzutun, denn die ARD schafft es leider bis heute nicht, solche Filme alternativ im Original auszustrahlen (was ja leider auf den allergrößten Teil der deutschen TV-Sender zutrifft).

Nach etwa 20 oder 25 Minuten erreicht der Film den ersten Höhepunkt: Tony Montana (Al Pacino) soll in einer Absteige in Miami einen Drogendeal abwickeln. Es geht fürchterlich schief, Tony und sein Kumpel werden von den kolumbianischen Dealern überwältigt. In der nächsten Szene kommen zwei weitere kubanische Kumpels zu Hilfe, es gibt eine wilde Schießerei. Tony und zwei der Kubaner fliehen ganz knapp mit dem H.

Die Szene hat nur leider so viele Anschlussfehler, dass man gar nicht kapiert, was da eigentlich vor sich geht. Der vierte Kubaner fehlt völlig, stattdessen sieht man in der Dusche eine mächtige Blutlache. Und woher kommt eigentlich das Heroin – der Kolumbianer Hector hatte behauptet, es wäre nicht vor Ort.

In der ungeschnittenen Fassung erfährt der Zuschauer, was es mit dem ganzen Blut und dem fehlenden Kubaner auf sich hat. Und dass das Heroin aus dem selben Koffer stammt wie eine gewisse Kettensäge.

Aber anstatt dem Zuschauer nachts um 1 die Wahl zu überlassen, ob er sich diese Gewaltdarstellung überhaupt anschauen möchte (der Film macht schon nach ein paar Minuten klar, dass Tony Montana kein Chorknabe ist – und überhaupt, wer schaut schon so eine olle Kamelle von Brian de Palma, wenn er nicht weiß, worum es geht?) oder ganz darauf verzichtet, wird lieber der Film kastriert.

Ich hatte verschiedentlich auf Beiträge von Hans Schmid auf Telepolis hingewiesen, die am Beispiel von Horrorfilmen oder Filmen aus der Nazi-Zeit die Frage stellen, ob es eigentlich Zensur ist, was da geübt wird. Wenn ich mir nun die zusammengekürzte Version von Scarface anschaue, dann weiß ich beim besten Willen nicht, wie ich das sonst bezeichnen soll – es gibt ja leider keinen Umschalter auf der Fernbedienung zwischen „Gib mir das Original“ und „Och nöh, gewaltreduziert ist okay“.

Ob man es nun als Zensur bezeichnet oder nicht, ändert aber nichts an diesem Umstand: ein Film wie Scarface ist in der geschnittenen Version, wie sie die ARD heute nach ausstrahlte, schlicht ungenießbar. Dann lieber Musikantenstadl.  Da komme ich erst gar nicht in die Versuchung, einzuschalten.

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